888 Tage saß Monika de M. (53) als Vatermörderin im Knast. Ein lückenhaftes Feuer-Gutachten des Landeskriminalamtes (LKA) hatte sie schwer belastet. Inzwischen ist die Verurteilung zu lebenslanger Haft wegen anderer Gutachten in einen Freispruch umgewandelt worden. Doch auf eine Entschuldigung von Polizeipräsident Dieter Glietsch wartet Monika de M. noch immer!
LKA-Direktor Peter-Michael Haeberer räumte jetzt ein: "Es ist unwahrscheinlich, dass der Fall jemals geklärt wird."
2003 war Monikas Vater Theodor (73) in den Flammen seines Hauses im Uhuweg (Neukölln) gestorben. LKA-Ermittler waren sicher, dass Spiritus verschüttet wurde. Andere Experten widersprachen. Deshalb ließ Glietsch das Berliner Gutachten und die Analyse-Methoden von Wissenschaftlern der Bundesanstalt für Materialprüfung (BAM) und Brand-Gutachter Armin Orter (aus Österreich) überprüfen. Die BAM-Leute und Orter fanden zwar nicht die Brandursache, kamen aber zum Schluss, dass das Feuer auch ohne Brandbeschleuniger in dieser Größe hätte ausbrechen können. Orter hält (wie auch eine Expertin des Bundeskriminalamtes) einen Schwelbrand als Ursache für die Flammen für wahrscheinlich. Ausgelöst durch eine brennende Zigarette oder eine Kerze. Für die BAM-Leute, die sich durch Aussagen von Zeugen und Zeitfenster-Berechnungen beziehen, ist ein Schwelbrand eher unwahrscheinlich.
Orter: "In der Analyse können Stoffe aus Fichtenholz mit Spiritus verwechselt werden. Das haben die Berliner im Jahr 2003 nicht gewusst." Haeberer: "In unserem Gutachten wurden nicht alle Möglichkeiten einbezogen. Es hatte Schwächen." Zu einem Fehler-Eingeständnis konnte er sich aber nicht durchringen. Inzwischen werden von der Berliner Polizei Spürhunde an Tatorten eingesetzt. In Spurenkonferenzen besprechen sich Ermittler und Wissenschaftler. Die nehmen nun zudem an nationalen und internationalen Fach-Kongressen teil, was früher nicht der Fall war. Nächstes Jahr will die Polizei ihre Kriminaltechnik so weit verbessert haben, dass sie internationalen Normen entspricht. Dann bräuchte sie nicht mehr nur Expertisen erstellen, sondern könnte tatsächlich Gutachten schreiben. Außerdem stellte die Behörde eine Chemikerin ein und will laut Haeberer das Personal weiter aufstocken.
Monika de M. bekam bisher nur eine Haftentschädigung (9779 Euro). Sie ist sauer: "Wer Fehler macht, sollte dazu stehen." Sie erhofft sich Schadenersatz vom Land Berlin in sechsstelliger Höhe (wegen Verdienstausfall, Jobverlust, nicht eingezahlte Rentenbeiträge, Wohnungsauflösung usw.) und hat bereits den Petitionsausschuss des Abgeordnetenhauses eingeschaltet.Haeberer" Wir werden auf die Frau zugehen. Das gebietet der Anstand."
Schacht - 14. Sep, 10:54
Satte 3,50 Euro für eine Currywurst mit Brötchen, 3 Euro kostet die Flasche Wasser (0,5 Liter), 3,50 Euro das frische Bier (0,4 Liter) vom Fass. Fans der Leichtathletik-WM müssen auf der Feier-Meile rund ums Brandenburger Tor tief in die Tasche greifen. Viele Besucher stöhnen: "Teueres Sommermärchen." Andere schimpfen: "Wucherpreise!"
Wie Klaus Neumann (63, Rentner aus Neukölln): "Es sind fast 30 Grad und ich habe Durst, aber umgerechnet sechs Mark für eine Cola kann und will ich mir nicht leisten. Ich halte das für eine Unverschämtheit."
Vermietet werden die Stände von der Firma "Ketering GmbH". Deren Gesamtleiter Michael Wiegner findet: "Die Veranstaltung ist nicht überteuert. Neben Gastronomie wird ja auch ein kostenloses Kulturprogramm geboten." Auch beim Restaurant "Tucher", das einen der Stände betreibt, werden die Preise verteidigt: "Wir liefern erstklassige und frische Ware."
Für 3,50 Euro pro Tag und Quadratmeter vermietet das Bezirksamt Mitte den Pariser Platz. Was die Gastronomen an Standmieten an die "Ketering GmbH" zahlen, gehört bei den meisten zum "Betriebsgeheimnis". Einer der Händler sagt: "Für die zehn Tage sind es an die 10 000 Euro plus Personalkosten. Das muss man erstmal erwirtschaften."
So kommt es hier und da zwischen Verkäufern und WM-Fans sogar zur Solidarität. Einer der Wurst-Leute erzählt: "Ich habe meinem Chef gesagt, dass wir zu teuer sind. Wer sich über die Preise beschwert, bekommt von mir den Tipp, wo es den nächsten Supermarkt gibt." Er wurde dennoch 250 Currywürste in wenigen Stunden los. Mike Short (33) aus England: "Wer in Berlin ist, muss ja mal eine probieren ..."
Schacht - 20. Aug, 11:15
Es war ein gut gehütetes Geheimnis in der DDR und Stasi-Ermittler trieb es fast in den Wahnsinn! 1969 waren an der Humboldt-Uni regimefeindliche Flugblätter aufgetaucht. Die lösten eine der aufwendigsten Fahndungsaktionen Ost-Berlins aus. Erwischt wurden die Urheber Rainer Schottländer und Michael Müller nie. Obwohl Mielkes Truppe ihnen sehr, sehr dicht auf den Fersen waren.
Schottländer (59, lebt in Köpenick) hat ein Buch über die Ereignisse von damals geschrieben (im Eigenverlag), erinnert sich: „Wir waren Physik-Studenten, standen unter den Eindrücken der Niederschlagung des Prager Frühlings.“ So entstand die Idee, zum Boykott der Vorlesungen im marxistischen Pflichtfach „Gesellschaftswissenschaften“ aufzurufen. Schottländer tippte auf einer alten Schreibmaschine mit Durchschlagpapier Sätze wie: „Ist es nicht bedrückend, dass nach 20 Jahren sozialistischen Aufbaus die Struktur unserer Gesellschaft noch immer autoritär und undemokratisch ist?“ Oder: „Es werden doch die elementarsten Freiheiten unterdrückt.“ 20 cm hoch, 14 cm breit, drei Gramm Gewicht hatten die Flugblätter. Es gab nur wenige hundert davon. Bei der Stasi schrillten alle Alarmglocken.
Sie durchleuchtete 9000 Studenten, überprüfte 6000 Schreibmaschinen, glich das Schriftbild auf den Flugblättern mit Personalausweis-Anträgen ab, installierte Kameras auf dem Uni-Gelände. Schottländer und Müller hatten die Fahnder schnell im Visier. Überführt werden konnten sie trotz Spitzel-Einsätze, heimlichen Hausdurchsuchungen nicht. Die Schreibmaschine hatte Müller in einer Klosterkirche in Sachsen versteckt. Sein Vater war Pfarrer. Schottländer: „Die Fahndung kostete rund 1,5 Millionen DDR-Mark“. Sein Buch heißt „Das teuerste Flugblatt der Welt“. In einem Verhör stritt er ab, es verfasst zu haben. Als Vernehmer ihm eines der Exemplare vorlegten, sagte er: „Gefällt mir gut. Leider nicht von mir.“ 1973 stellte die Stasi ihre Nachforschungen („Operativer Vorgang: Aufwiegler“) ein.
In den Knast kam Schottländer dennoch. 1971 scheiterte sein Fluchtversuch über die Grenze von Ungarn nach Jugoslawien (zweieinhalb Jahre Haft), danach kaufte ihn die Bundesrepublik frei. 1989 lebte Schottländer in San Diego (USA): „Als ich die TV-Bilder der tanzenden Menschen auf der Mauer sah, sprang ich spontan aufs Klavier, tanzte mit.“ Der Diplom-Physiker hatte beruflich umgesattelt, schrieb Kabarett-Sketche, Lied-Texte. Einige von ihnen spielt Schottländer mit Gitarre am 13. August (am Tag des Mauerbaus) vorm DDR-Museum in der Karl-Liebknecht-Straße 1 (Mitte, ab 19 Uhr, Eintritt frei).
Sein Programm heißt „Lügenpartei mit drei Buchstaben“. Schottländer augenzwinkernd: „Damit meine ich gewiss nicht nur die SED.“
Schacht - 3. Aug, 11:25
Die Bilder gingen um die Welt und nicht nur in Berlin, sondern überall in Deutschland sorgten sie für Scham und Entsetzen. Mirko H. (29) hatte auf seinem Balkon knapp zehn Minuten lang den „Hitlergruß“ gezeigt, dazu „Sieg Heil“ gerufen. Inzwischen ist er wieder frei und gibt sich völlig uneinsichtig. Entschuldigen will sich Mirko H. nicht: „Ich stehe dazu.“ Er sei ein überzeugter Nazi.
Anwohner in der Köpenicker Puchanstraße schütteln den Kopf. Sie kannten Mirko H. bisher nur als „relativ ruhigen Mieter, der ab und zu Partys mit Kumpels feiert und die Musik zu laut aufdreht“. Andere sagen: „Der war schon morgens total besoffen. Der Typ ist ein Idiot, der sich neuerdings mit merkwürdigen Freunden umgibt.“ Die waren nur etwa 100 Meter entfernt am 1. Mai beim Hoffest in der NPD-Zentrale, als vorm Haus von Mirko H. die Gegendemonstranten vorbeizogen. Mirko H. spricht von „linken Zecken“. Als sie den Balkon-Nazi und seinen erhobenen Arm sahen, brach sofort Randale los.
Chaoten wollten die Ein-Zimmer-Wohnung im zweiten Stock stürmen, brüllten „Nazis raus“, warfen mit Papierrollen und Steinen. Getroffen worden ist Mirko H. nicht. Nur die Scheiben des Nachbarn gingen zu Bruch. Nachdem Beamte Mirko H. überwältigten und 30 Stunden fest hielten, sprach Polizeidirektor und Einsatzführer Michael Knape von der Festnahme eines „offenbar nervenkranken Mannes“. Mirko H. sagt: „Meine Kameraden und ich zeigen im Gegensatz zu unseren Gegnern offen unsere politische Meinung.“ Wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen beantragte die Staatsanwaltschaft U-Haft. Der Richter lehnte ab. Mirko H. soll Arbeit haben, sei polizeilich gemeldet. Wegziehen will Mirko H. nicht. Er habe „null Angst“, brauche keinen Schutz. Dabei diskutieren Linke bereits, ob sie bei ihm „Hausbesuche“ machen. So ist neuer Links-Rechts-Terror wohl nur eine Frage der Zeit. Mirko H. drohen bis zu drei Jahre Haft, mindestens aber eine hohe Geldstrafe.
Schacht - 4. Mai, 14:02
Das Abwehren von Damen-Angriffen. Für Jürgen Brustkern (47) gehört es zu den Aufgaben, die er täglich bewältigen muss und in aller Regel erfolgreich löst. Beim Schach stellen Damen viele Drohungen auf. Brustkern ist Schach-Experte, spielt bei internationalen Turnieren und trägt den Titel „Fide-Meister“. Zudem gibt er Amateuren Training, schreibt Texte in Fach-Zeitschriften. Der Berliner läuft aber auch Marathon. Und ist mit seiner sportlichen Figur und seiner Größe von bestimmt 1,90 Meter nicht nur für die Damenwelt eine ziemlich imposante Erscheinung. Dennoch dürfte ihm das nicht noch einmal passieren, was vor kurzem im TV gezeigt wurde. Da ging Brustkern schnellen Schrittes einen Parkweg entlang, bis plötzlich eine Nonne auftauchte. Die verdrehte ihre Augen, schrie ihn fast fordernd an: „Wie kannst Du mich so in Versuchung führen?“ Brustkern wirkte irritiert, fast verärgert, ruderte dann mit dem rechten Arm und schüttelte die Nonne wortlos und fast flüchtend ab. Bei Weggehen rief die ihm noch hinterher: „Du hast aber einen geilen Arsch!“ Zu sehen war die Szene in „Böse Mädchen“. Einem Comedy-Format, das RTL ausstrahlt und es als „Versteckte-Kamera-Spaß“ bezeichnet. In den Folgen werden immer neue Männer von drei Frauen auf die Schippe genommen. Das Logo „Versteckte Kamera“ war auch eingeblendet bei Brustkern und der verkleideten Nonne, die Schauspielerin ist. Brustkern fühlt sich nicht reingelegt, sagt: „Gedreht wurde die Szene am Potsdamer Platz.“ Er habe sich auf eine Annonce gemeldet, in der Komparsen gesucht worden seien. Und für seinen Einsatz ein Honorar erhalten.Was auf dem Parkweg geschehen würde, habe er im Detail nicht gewusst: „Die Film-Leute sagten mir nur, dass etwas passieren würde.“ Dass gleichzeitig eine „Versteckte Kamera“ lief, sei natürlich kein Geheimnis gewesen. Dafür dürfte für die Fernseh-Zuschauer jetzt eines gelüftet worden sein ...
PS. Das ist mein erster Text den ich auf meinem neuen Macbook geschrieben und via Wlan-Verbindung online gestellt habe. Ich bin stolz.
Schacht - 17. Apr, 16:57